Bis daß ein Tod
Monolog„Tötungsmittel Küchenmesser“

Interviewausschnitt mit Stephan Hilpold, Neue Südtiroler Tageszeitung 9.5.1997

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S.G. „Mir ging es darum, den geschlechtsspezifischen Umgang mit Kriminalität aufzuzeigen. Frauenkriminalität wird anders bewertet als Männerkriminalität. Wenn Frauen im Affekt töten, dann traut man ihnen das erst gar nicht zu. Sie sind ja körperlich schwächer als Männer. Frauen wird ja oft unterstellt, daß sie viel brutaler morden, da sie überlegter morden. Ich wollte eine Frau zeigen, die es tatsächlich geschafft hat, im Affekt zu morden, der man diese Affekthandlung im Gericht allerdings dann nicht abnimmt.“
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Tageszeitung: In Ihrem Stück kommt das Wort Südtirol nicht vor; die Metaphorik weist aber in diese Richtung.

„Ich habe beim Schreiben kein einziges Mal an Südtirol gedacht. Die Einengung ist die durch einen anderen Menschen und nicht eine topographische. Die Unterschiede zwischen Frauen- und Männerkriminalität sind überall ähnlich und sicher nicht von südtirolspezifischer Relevanz. Frauen bringen fast nur Menschen aus ihrem näheren Familienkreis um. Sie befreien sich meistens aus sehr engen Strukturen und greifen zu naheliegenden Tatmitteln, etwa Küchenmessern. Tötungsdelikte an Fremden sind unter Frauen sehr selten, sie sind Männersache.“

Bei der Veranstaltung Selbst und Fremd. Texte zwischen Südtirol und Wien behaupteten Sie kürzlich, daß die gesellschaftspolitischen Verhältnisse eine weibliche Künstlerexistenz in Südtirol verunmöglichten.

„Dafür ist einerseits die Rolle der Kirche verantwortlich, andererseits werden Frauen im Bildungsweg noch immer vorwiegend auf Arbeiten vorbereitet, die im familiären, sozialen Bereich liegen, und durch die fehlende Universität hat in Südtirol keine breite Frauenbewegung entstehen können. Wenn überhaupt, war sie immer eine Importbewegung. Luise Pusch, eine feministische Sprach- und Literaturwissenschaftlerin, sagt ganz klar, daß die ersten Stücke, die in Deutschland von Frauen geschrieben wurden, alle aus einem feministischen Kontext heraus entstanden sind: es handelt sich um Schriftstellerinnen, die in der Frauenbewegung tätig waren, die klare theoretische Ansätze hatten.
Ich glaube, daß Bis daß ein Tod das erste Stück einer Südtirolerin ist, das aufgeführt wird. Das hat ganz klare literatursoziologische Gründe. Stücke auf der Bühne setzen sich immer mit gesellschaftspolitischen Fragen auseinander. Und Frauen waren aus dem politischen Bereich lange ausgeklammert.“

Welche politischen Strukturen sind dafür verantwortlich?

„Das ständige Festhalten am Volkstumsbegriff, an der „Erhaltung“ der deutschen Kultur ist einer Ausdifferenzierung und einer Thematisierung von subjektiven Bedürfnissen entgegengestanden. Die Frage, wie sich etwa Frauen selbst verwirklichen könnten, mußte hinter das Südtirolproblem treten.“