Im April und Im März

Im April und Im März

Zwei Gedichte im Jahrbuch der Lyrik 2019 hrsg. von Mirko Bonné und Christoph Buchwald Frankfurt a.M.: Schöffling & CO. 2019 S.65 und S.79

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Im April

Paliano, Latium

Manchmal spüre ich einen fremden Atem,

Sehe Schatten, Fußabdrücke und vernehme

Doch nur die beiden Käuze im Steineichen

Bestand, höre das Hin und Her ihrer Rufe,

Ihr hartnäckiges Werben. Vom Himmel

Fällt feiner Staub. Die Blüten schütteln sich

Im aufziehenden Sturm. Ich saß hier schon

Einmal vor sieben Jahren in Sichtweite

Der sieben Hügel. Das Glück trug noch

Hohe Schuhe und einen nackten Frack.

Komm, laß uns noch einmal mit dem

Grünen Volvo durch die Landschaften

Fahren, unter rosa Schlieren und schlaffen

Wolkenschleiern. Es ist wieder Hochzeit

Der Trauernden. Füchslein liegt mir zu

Füßen und kläfft. Ich trage einen halben

Hut. Vor einem Jahr war ich noch am Rhein

Mit einem anderen Hund. In den Film

Auf dem Autodach schreibt jetzt einer

Nasse Zeilen.

Im März

Wien, Leopoldstadt

Der Winter verabschiedet sich mit Messer

Stichen, mit Blut auf der Praterstraße, mit

Hunden im Park und Polizisten. Er geht

Über schwarzen Schnee und grüßt die

Toten, die Verschwundenen, die uns

Mit anderen Wintern zurücklassen.

Geht mit Träumen über aufgetaute

Grasflächen, über rutschige Treppen,

Und wenn wir die Lichtflächen am

Himmel sehen, dreht er sich noch

Einmal um mit Schneewolken, mit

Gestöber, tanzt ausgelassen, als hätte

Er alles vor sich: Das Glitzern, das Weiß

Land ohne Stadt, ohne Blaulicht und

Menschen. Eisblumen. Und Gletscher

Für Jahrtausende. Wir winken einander

Zu, zwei aus einem Wasser, aus einer

Kälte. Zwei unter einer Sonne, mit

Nichts als glücklosen Seitensprüngen

In eine neue Zeit.