Die beiden Gedichte (Lyrik aus Italien) erschienen in manuskripte w e i t e r schreiben Zeitschrift für Literatur, hrsg. von Andreas Unterweger 64.Jg. Nr. 245 Graz: Oktober 2024 S.152 und 153
menu
Irottkö
in memoriam Agota Kristof
Ich wiederhole die Wörter wie die
Zwillinge, sag mir die schönen vor
Bis sie ihre Bedeutung verlieren.
Liebe mit Haut und Haar. Im Wald
Liegt der augenlose Soldat. Längst
Sind die Raben wieder hungrig, die
Handgranaten geworfen. Wir lieben
Uns an der offenen Grenze. Die Elf-
Uhr-Glocken läuten zum Sieg über
Den Sturmangriff der Türken und
Kuruzen. Wir lieben uns mit Blick
Auf das Gerüstkleid der Kirche, auf
Den kleinen Tisch, Das große Heft.
Der Mangel schafft den Stil. In der
Anderen Sprache fällt alles ab. Auch
Meine Scheu sucht das getreue Er
Zählen, sucht nach dem Geschrieben
Stein, der fernen Erhebung im Fenster,
Den letzten Ausläufern. Es riecht nach
Glücklichem Regen.
Tessin
Im Corriere del Ticino wird die Kamelie
Oki-No-Nami gepriesen. Ich lese im
Regen von Wellen auf hoher See, von
Rosa Blumen aus Japan, die am Blüten
Rand weiß auslaufen. Immer bin ich wo
Anders, auf einem Schiff mit atmenden
Segeln. Rutsche von den Steindächern ins
Meer- und Weinblau des Wiesensalbeis,
Sinke im Gras in grüne Tiefen. Bin ab
Gelenkt vom tausend Jahre alten Heiden
Haus unter der überhängenden Felswand
Am Berg, vom flüsternden Seifenkraut, den
Sprechenden Margeriten. Nein, ich zupfe
Nicht. Meine Füße sind naß, die Feldwege
Getränkt. Die Schafe des Nachbarn halten
Mich für deren Schäferin, blöken, folgen
Mir blind. Wo ist das Abendlicht, wo die
Schultermulde, wo der Wetter wechselnde
Wind? Ich stehe im Wasser, steche in See
In einer Wiese aus Klee.